Wir fürchten, dass sich die Geschichte wiederholen könnte!

Interview mit einem Krimtataren

 

Heute führte ich ein Interview mit Rustem, Er gehört zur Gruppe der Krimtataren, die auf der Krim leben. Dort arbeitet er als Lehrer und unterrichtet die krimtatarische Sprache.


Es handelt sich um ein anonymes Interview. Den Namen musste ich zu Rustem's Schutz abändern, da es wegen der aktuellen Situation auf der Krim sehr gefährlich ist, sich öffentlich, kritisch zu diesem Thema zu äußern.


Sie kamen für dieses Projekt von der Krim nach Deutschland, war die Anreise kompliziert?


Zum Teil war es anstrengend, schon allein aufgrund der weiten Strecke. Dazu muss man sagen, dass es heute keine direkte Verbindung mehr zwischen der Krim und dem ukrainischen Festland gibt. Wir mussten erst von der Krim zur russischen Grenze kommen, diese dann zu Fuß überqueren und von dort aus erst einmal nach Kiew fahren. Von dort aus konnten wir dann ganz einfach fliegen.


Weiß die Regierung auf der Krim, dass sie hier sind?


Ich denke nicht, dass die Regierung von meinem Aufenthalt hier weiß. Zudem bin ich auch keine berühmte Persönlichkeit. Mit meinem ukrainischen Pass konnte ich das Land problemlos verlassen. Mit meinem russischen Pass wäre das nicht möglich gewesen, weil die westliche Gemeinschaft das Referendum der Krim nicht anerkennt und ich kein Shengen Visum bekommen hätte.


Sie sind ein Krimtatar. Können sie mir in ein paar Sätzen beschreiben was ein Krimtatar ist?


Die Krimtataren leben natürlich auf der Krim. Vom 15. bis zum 18. hatten die Krimtataren ein eigenes Khanat, das Krim-Khanat. Es handelt sich dabei um eine Region, die zuvor zum Gebiet der goldenen Horde gehörte, welche im 15. Jahrhundert zerfallen ist. Im Jahr 1783 hat das russische Reich die Krim annexiert. Damals lebten noch über eine Millionen Krimtataren auf der Krim. Seitdem hat sich die Anzahl der Krimtataren verringert, so dass heute nur noch 260.000 Krimtataren auf der Krim leben.


Wie leben die Krimtataren auf der Krim heute?


Nach der erneuten russischen Annexion der Krim im letzten Jahr, wurden die Krimtataren verfolgt. Sie verschwinden einfach und bisher wurde noch kein Verdächtiger bestraft. Die Krimtataren erinnern sich sehr gut an ihre Geschichte, daran dass sie vor 200 Jahren massiv von den Russen in die Türkei vertrieben wurden. Sie befürchten, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.


Auch später zur Sowjetzeit wurden die Krimtataren unterdrückt, da sie nicht erwünscht waren. Am 18. Mai 1944 wurden die Tataren, ganze Familien und Dörfer, von der Krim nach Asien umgesiedelt. Stalin befürchtete, dass die Krimtataren sich gegen ihn auflehnen könnten und begründete seine Politik damit, dass die Krimtataren mit den Deutschen zusammenarbeiten würden.


Wie lässt sich die heutige Situation auf der Krim beschreiben? Welche politischen Strömungen gibt es dort jetzt?


Das Volk dort ist in drei Teile gespalten.


Der erste Teil ist für das Referendum. Es handelt sich dabei um diejenigen, die pro-russisch eingestellt sind. Dieser Teil der Menschen gibt der Ukraine für all die schwierigen Probleme und Situationen die Schuld.


Der zweite Teil des Volkes ist neutral. Viele dieser Menschen sind schockiert über die Situation auf der Krim, können die Situation aber nicht einordnen. Sie versuchen die Probleme auszusitzen, warten und beobachten die Entwicklungen.


Und der dritte Teil besteht vor allem aus den Krimtataren, die stets die Position vertraten, dass die Krim ein Teil der Ukraine sein sollte und weiterhin sein muss.


Allerdings weiß ich jetzt nicht wie groß die Anteile der jeweiligen Gruppen an der Gesamtbevölkerung ist, da wir keine Statistiken darüber haben. Jedoch kann man feststellen, dass sich die wirtschaftliche Situation auf der Krim verschlechtert hat und die Preise stark angestiegen sind. Aus diesem Gründen ist der pro-russische Teil der Menschen, die auf der Krim leben, etwas skeptischer geworden, da die Erwartungen, die sie vor dem Referendum hatten, sich nicht erfüllt haben.


Sie arbeiten ja als Lehrer auf der Krim. Welchen Einfluss hat die Situation auf ihre Arbeit?


Die Situation hat sich etwas erschwert.


Zum eine haben wir offiziell fünfzehn krimtatarische Schulen, in denen Krimtatarisch unterrichtet wird. Die Realität sieht aber anders aus, denn wir haben in diesen Schulen nur ein paar Klassen in denen die Sprache unterrichtet wird und nicht etwa die ganze Schule.


Der zweite Punkt ist eine Kürzung der Stunden. Wir haben nicht mehr acht Stunden Sprachunterricht wie früher, sondern nur noch zwei Stunden pro Woche. Zudem finden diese Stunden meist in der siebten und achten Stunde statt, wo alle anderen Kinder bereits nach Hause gehen können.


Und der dritte Punkt. Damit die Klassen zustande kommen brauchen wir in den Dörfern mindestens fünf, und in den Städten mindestens acht Anfragen der Eltern. Diese bekommen wir aber nicht mehr zusammen, weil viele Eltern inzwischen glauben, dass es in der Ukraine keine Zukunft für die krimtatarische Sprache gibt.


Bedeutet das, dass die krimtatarische Sprache sterben könnte? Oder übernehmen die Eltern die Unterrichtung der Sprache?


Das Problem ist, dass die Eltern den professionellen Unterricht nicht ersetzen können, da sie meist nicht die Methoden beherrschen um die Sprache effektiv und verantwortungsvoll zu vermitteln. Zudem kommt hinzu, dass die Mehrheit der Eltern, die Sprache selber nicht richtig beherrscht, weil es zu ihren Schulzeiten keine professionellen, krimtatarischen Schulen gab. Aus diesem Grund ist die Sprache tatsächlich sehr gefährdet, da sie ohne die professionelle Lehre in Zukunft immer seltener zum Einsatz kommen wird und im schlimmsten Fall sogar sterben könnte.


Ich habe noch eine letzte Frage. Ist es gefährlich heute auf der Krim zu leben?


Das ist eine schwierige Frage. Wenn deine Meinung nicht zur offiziellen Meinung passt, dann lebst du in einer gefährlichen Situation. Zum Beispiel wurden uns die Demonstrationen, die wir jedes Jahr zum 18.Mai halten, an dem Tag Deportationen der Krimtataren nach Asien, verboten. Das ist kein gutes Zeichen.


Vielen Dank für das Gespräch.


Gern geschehen.


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Kommentare: 2
  • #1

    Quiana Stuhr (Donnerstag, 02 Februar 2017 10:18)


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